Jahresbericht 2015

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Logo des Frauennotrufs Koblenz
12. April 2016

Während des Schreibens des Jahresberichtes 2015 und der Auswertung unserer Statistik des letzten Jahres  sind die Themen Flüchtlinge/ Migration und Sexualisierte Gewalt auf neue und ungewohnte Weise im Fokus der Öffentlichkeit. Uns im Notruf stellt das vor neue Herausforderungen.

Während die Frauennotrufe seit Jahren auf das große Vorkommen von sexualisierter Gewalt gegen Frauen in unserer Gesellschaft hinweisen und mehr als ausgelastet sind mit der Unterstützung betroffener Frauen, beobachten wir, dass die Übergriffe an Silvester instrumentalisiert werden, um gegen Flüchtlinge zu hetzen und möchten uns dem nicht anschließen. In der polizeilichen Statistik gibt es keinen signifikanten Prozentsatz von Tätern mit Migrationshintergrund bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung.
Gleichzeitig darf nicht ausgeblendet werden, dass es die Herausforderung gibt, eine große Zahl von Menschen bei uns zu integrieren, die aus Gesellschaften kommen, in denen die Unterdrückung von Frauen selbstverständlich ist und in denen Gewalt gegen Frauen rechtlich noch weniger sanktioniert wird als bei uns. Im Sinne der Frauen müssen wir uns hier ganz klar positionieren. 

Wie alle anderen Frauen und Mädchen haben auch geflüchtete Frauen und Mädchen ein Recht auf Unterstützung, wenn Sie von (sexualisierter) Gewalt betroffen sind oder diese befürchten. Das Unterstützungssystem ist hierauf allerdings noch nicht eingerichtet. Notwendig ist die Schulung von MitarbeiterInnen in Flüchtlingsunterkünften und deren Vernetzung mit dem bestehenden Hilfesystem. Hier können wir als Ansprechpartnerinnen zum Thema sexualisierte Gewalt von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen zur Verfügung stehen. Daneben gibt es einen noch nicht abzusehenden Bedarf nach Beratung von geflüchteten Frauen und Mädchen, die während der Flucht oder in den Unterkünften Übergriffe erlebt haben. Ganz abgesehen davon, dass auch wir Fachfrauen ggf. selbst Fortbildungsbedarf haben, da die Beratungen aufgrund von sprachlichen Barrieren zusammen mit qualifizierten Sprachmittlerinnnen oder Dolmetscherinnen erfolgen müssen, anders als gewohnt und zeitlich aufwändiger ablaufen und uns Fachkenntnisse aus dem Asyl- und Ausländerrecht fehlen.

An der Entwicklung eines nachhaltigen Konzepts für all dies müssen wir Expertinnen aus der Praxis beteiligt sein. Und: Es kann nicht erwartet werden, dass wir den entstehenden Bedarf ohne eine angemessene personelle Aufstockung auffangen können. Wir verzeichnen seit Jahren eine hohe Nachfrage nach Beratung und Prävention bei gleichbleibenden finanziellen und personellen Kapazitäten und können den bestehenden Bedarf schon jetzt kaum abdecken.

Gewaltbetroffene müssen sich darauf verlassen können, dass ihnen Hilfe gewährt wird. Wir stehen dafür bereit. Was bis heute fehlt, ist die staatliche Pflichtaufgabe, die Hilfeleistungen von Frauenunterstützungseinrichtungen bedarfsgerecht und verlässlich zu finanzieren.